Zum Inhalt springen

Gedenkstättenfahrt nach Auschwitz und Krakau 2024

Nach fast 14-stündiger Fahrt schaukelt unser Reisebus endlich durch Oswiecim, unseren Zielort. An Bord: 18 übermüdete Schülerinnen und Schüler, sowie drei Lehrkräfte des BK Opladen. Die Herausforderung diesmal: Um Kosten zu sparen, teilen wir uns die Fahrten mit einer Schule aus Bocholt. Jeder Platz ist besetzt. Nachdem wir die Hotelzimmer bezogen haben, geht es auf Erkundungstour per App durch das kleine polnische Städtchen an der Sola. Wir besuchen die Synagoge und erfahren einiges über das jüdische Leben hier in Oswiecim vor dem Holocaust. Heute lebt nur noch eine einzige Jüdin vor Ort, damals war hier eine große jüdische Gemeinde beheimatet.

Am nächsten Tag besuchen wir das Stammlager, Auschwitz I. Die ehemalige polnische Kaserne war von den Nazis 1940 ursprünglich als Gefangenenlager für polnische Häftlinge eingerichtet worden.

Birken, blühender Flieder und Pappeln schaffen an diesem Ort eine irreführende Idylle. Dennoch ist die Atmosphäre eisig. Man hört hier nur die Schritte auf dem Kies unter unseren Füßen und die Stimme des Guides über die Kopfhörer. Sonst herrscht Stille. Die Besuchergruppen ziehen schweigend von Block zu Block. Fassungslosigkeit. Portraits der Häftlinge, Schuhe über Schuhe, Koffer, Geschirr, Gebetsschals, ein Berg Brillen, Fotografien der SS-Ärzte während der Selektionen an der Rampe. In einer Vitrine liegt ein Kinderschuh, in der nächsten ein Babystrampler.

In Block 11 sind die Fenster verriegelt. So konnte man nicht in den Innenhof schauen. Dort fanden die Erschießungen statt.

Am späten Nachmittag befassen wir uns in einem 90-minütigen Workshop mit der Psychologie des Mordens und der des Überlebens. Wir erfahren, dass es den Nazis leichter fiel, Menschen zu töten, denen sie zuvor ihre Identität und Würde genommen hatten, und dass Solidarität ein Mittel der Häftlinge war, diese Würde wieder herzustellen.

Am Mittwochmorgen tauchen wir buchstäblich ab in die traumatischen Erinnerungen des Künstlers und Bühnenbildners Marian Kolodziej. Über die fünf Jahre Haft in Auschwitz konnte er nie reden. Bis zum Schluss brach er sein Schweigen nicht. Seine detaillierten Bleistift-Zeichnungen, Collagen und labyrinthisch angeordneten Installationen schreien umso mehr. Marian Kolodziej hat im Gewölbe des Franziskaner-Klosters in Harmeze ein Denkmal erschaffen, in welchem er nach seinem Tod sogar beigesetzt wurde. Einige Jahre später folgte ihm auch seine Frau.

Danach fahren wir zur Alten Judenrampe, dem Bahnsteig vor dem Konzentrationslager in Birkenau. An dieser Stelle begann zwischen 1940 und 1944 das grausame Morden und systematische Auslöschen von über 1,3 Mio Menschen. Denn nach der Ankunft wurden hier die Familien bei den Selektionen durch die Nazis regelrecht auseinandergerissen und getrennt. Aus vielen Zeitzeugen-Interviews wissen wir, dass sich die meisten hier das letzte Mal sahen. Während arbeitsfähige Menschen im Lager untergebracht wurden, wurden Alte, Kranke, Frauen und Kinder unter 14 Jahren direkt in die Gaskammern getrieben. Ihre Leichen wurden verbrannt, schon während ihre Angehörigen die Köpfe kahl rasiert und Häftlingsnummer eintätowiert bekamen.

Nach dem Mittagessen begehen wir das Konzentrationslager Auschwitz-Birkenau, auch Auschwitz II genannt. Auf dem Wachturm wird für uns die Größe des Geländes sichtbar. In den Holzbaracken zeigt sich erneut: Hier ist Unmenschliches geschehen. Unser Guide erzählt uns, dass das Leeren der Latrinen zu den „besseren“ Strafarbeiten gehörte, da man diese unter dem Dach ausführen konnte. Am nächsten Tag werden wir davon noch einmal etwas hören.

Wir gehen schließlich über die große Lagerstraße, entlang der Bahnschienen, vorbei an der Rampe, an der im letzten Jahr des Lagers die Selektionen stattfanden. Wir laufen über Tränen, Schreie, suchende Blicke, Angst. Wir laufen über die Asche der Ermordeten. Auschwitz-Birkenau ist der größte Friedhof der Welt. Es ist windig. Die Qual, die die ehemaligen Insassen erleiden mussten, peitscht einem regelrecht ins Gesicht. Vorbei an den von den Nazis vor ihrer Flucht zerbombten Krematorien und der so genannten Sauna geht es in den Lagerabschnitt „Kanada“. Hier wurden Kleidung, Koffer, Schuhe und Wertgegenstände der Häftlinge und der Ermordeten gesammelt, um sie weiterzuverkaufen. Noch heute findet man hier Knöpfe, stumme Zeugen. Mit einer kleinen Gedenkfeier verabschieden wir uns von diesem Ort, legen bemalte Steine, Kerzen und Tulpen nieder. Ein stiller Gang durch eine der ehemaligen Kinderbaracken beendet unsere Führung.

Auschwitz ist ein Ort, der Fassungslosigkeit auslöst, ein Ort unbeantwortbarer Fragen, ein Ort der Trauer, der Wut, der fehlenden Worte. Ein Ort, an dem sich unendlich viel Leid zugetragen hat. Und gleichzeitig ein Ort gegen das Vergessen und für den Frieden. Für die Liebe in der Welt. Ein Ort der Hoffnung und der Botschaft von Vergebung und Stärke. Auschwitz bewegt und verändert.

Bevor es am Donnerstag nach Krakau weiter geht, erwartet uns eine besonders berührende Begegnung. Stefania Wernik, geborene Piekarz, eines der letzten in Auschwitz-Birkenau geborenen Kinder, erzählt uns ihre Geschichte. Wie ihre polnische Mutter, im zweiten Monat schwanger, bei einem illegalen Grenzübertritt inhaftiert wird und die Schwangerschaft bis zum achten Monat geheim hält. Sie muss 12 Stunden täglich in hüfthohem Wasser stehen und Schilf entfernen oder die Latrinen leeren. Als ihre Schwangerschaft entdeckt wird, wird sie in einen „komfortableren“ Block verlegt und bekommt mit Sahne angedickte Suppen. Wer hier einen Hauch Menschlichkeit vermutet, muss sich bald darauf leider mit der Wahrheit konfrontiert sehen, denn: Der Lagerarzt Dr. Josef Mengele, auch als „Todesengel von Auschwitz“ bekannt, benutzt die nicht-jüdischen Babys für seine pseudomedizinischen Versuche. Stefania Wernik wird sich davon ihr ganzes Leben nicht erholen. Häufige Krankheiten, Allergien und eine tief verwurzelte Angst sind ihre ständigen Begleiter. Und trotz all dem Leid, es gibt auch ein glückliches Leben nach dem in der Hölle von Auschwitz: Als sie 18 Jahre alt ist, lernt sie ihren zukünftigen Ehemann kennen. Sie heiraten nach kurzer Zeit und bekommen vier Kinder und schließlich 17 Enkel und Urenkel.

Auf unserer Fahrt nach Krakau lassen wir die blühende Landschaft an uns vorbeiziehen und die Eindrücke der letzten Tage erst einmal hinter uns. Krakau, eine Stadt mit mittlerweile 1,3 Mio Einwohnern zeigt sich uns bei strahlendstem Sonnenschein mit seinen verschnörkelten Altbauten, Bäumen, Tulpenmeeren, zig Kirchtürmen und der imposanten Burg Wawel, Residenz der ehemaligen polnischen Könige wie des Nazi-Generalgouverneurs Hans Frank. Unsere polnische Reiseleiterin Magda, die auch hier in Krakau lebt, führt uns über den Wawel, durch kleine Sträßchen zum berühmtem Marktplatz mit seinen Tuchhallen. Die Fenster in der Marienkirche sind über 750 Jahre alt! Doch gedanklich sind die meisten schon beim Shoppen und Essen. Beides kann man in Krakau hervorragend. So endet unser Tag mit leeren Portemonnaies und vollen Bäuchen, als wir gegen 22 Uhr die Rückreise nach Opladen antreten.

Zurück
Auschwitz_Krakau_01.jpeg
Auschwitz_Krakau_02.jpeg
Auschwitz_Krakau_03.jpeg
Auschwitz_Krakau_04.jpeg
Auschwitz_Krakau_05.jpeg
Auschwitz_Krakau_06.jpeg
Auschwitz_Krakau_07.jpeg